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Betrachtung verschiedener Lebensbereiche

Wenn eine nahestehende Person die Diagnose Brustkrebs erhält, stellt das auch das Umfeld vor eine ganz neue Situation. Wie gehen Sie richtig mit der Erkrankung um, welche Rolle nehmen Sie dabei ein, und wie unterstützen Sie die Betroffene, wenn es Ihnen gerade selbst zu viel wird?

Die Unterstützung von nahestehenden Menschen, emotional sowie organisatorisch, ist von enormer Bedeutung. Doch nicht immer kann das direkte Umfeld die Situation komplett nachvollziehen, in der die Betroffene sich befindet. Wichtig sind daher auch Gespräche mit Menschen außerhalb der gewohnten Kreise und mit qualifizierten AnsprechpartnerInnen.

Sollte die Betroffene in Ihrem Umfeld dafür offen sein, weisen Sie sie gerne auf unsere Linkliste hin, in der wir einige Adressen von Selbsthilfegruppen sowie onko-psychologischen Stellen gelistet haben. Auch der Krebsinformationsdienst (KID) bietet die Möglichkeit, nach ambulant psychotherapeutisch arbeitenden PsychoonkologInnen in Ihrer Nähe zu suchen.

Mehr Informationen unter www.krebsinformationsdienst.de

Wenn wir im Folgenden von der Betroffenen als Frau sprechen, sind Männer mitgemeint. Denn auch Männer können, wenn auch deutlich seltener, an Brustkrebs erkranken. Für „Brustkrebs bei Männern“ haben wir in unserer Linkliste weitere Informationen, die sich speziell an männliche Erkrankte richten.

Wird die Diagnose Brustkrebs gestellt, bedeutet das auch für das Umfeld der Betroffenen erst einmal einen großen Schock. Es ist wichtig, eigene Gefühle dazu zuzulassen. Und sicher wird es einige Zeit brauchen, um die Diagnose zu verarbeiten.

Versuchen Sie vor allem in den ersten Tagen und Wochen nach der Diagnose die Betroffene so weit wie möglich zu entlasten. Geben Sie sich und der Betroffenen etwas Zeit, um die Diagnose zu realisieren.

Was sich anfänglich allen Beteiligten als große Überforderung darstellt, wird mit der Zeit leichter zu handhaben sein. Sie müssen nicht in den ersten Tagen eine Antwort auf alles haben. Und im Verlauf der Erkrankung wird es auch immer wieder die Aufgabe sein, die eigenen Grenzen zu erkennen und gut auf sich selbst gut achtzugeben.

Nach einer Diagnose fällt die Betroffene auf nahezu allen Gebieten des bisher gewohnten Lebens, privat wie beruflich, zeitweise bis umfassend aus. Diese Phase ist nicht auf einen eng eingegrenzten Zeitraum festzulegen, sondern betrifft den kompletten Zeitraum von der Diagnose bis zur möglichen Genesung. Daher wird auch der gewohnte Alltag auf den Kopf gestellt. Aufgaben müssen eventuell neu verteilt und gewohnte Abläufe neu organisiert werden.

Ein wichtiger Grundsatz ist: Entlastung so weit wie nötig, aber Teilhaben lassen so viel wie möglich. Oft möchte die betroffene Person noch möglichst viel selbst machen, auch, um vielleicht feststellen zu können, wo die eigene Grenze liegt. Selbst aktiv sein zu können, kann enorm dabei helfen, gesund zu werden. Nehmen Sie der Betroffenen nicht zu viel ab. Schauen Sie aber genau hin und seien Sie zur Stelle, wenn es nötig wird.

Überlegen Sie gemeinsam, wie der Alltag der Betroffenen bisher ausgesehen hat. Welche Aufgaben kann sie, durch fehlende Kraft oder zeitliche Flexibilität, von nun an nicht mehr wahrnehmen? Haben Sie selbst Kapazität, eine dieser Aufgaben zu übernehmen?

Zum Beispiel:

  • Gibt es ein Ehrenamt der Betroffenen, das sie weiterführen können?
  • Gibt es Tiere zu versorgen (bspw. einen Hund, der regelmäßig Auslauf braucht)?
  • Gibt es einen Garten zu pflegen?

Wenn im persönlichen Umfeld eine Brustkrebserkrankung auftritt, entsteht meist das Bedürfnis, auch emotional für die Betroffene da zu sein. Es handelt sich bei einer solchen Erkrankung um eine Ausnahmesituation; manche Umgangsformen und erste Impulse zur Hilfestellung gilt es daher zu hinterfragen. Folgende Hinweise sollen als Anregung dienen.

  • Hören Sie zu.
    Die Bedürfnisse der Frauen sind individuell ganz verschieden. Während es manchen Betroffenen am wichtigsten ist, alles Äußerliche geklärt zu haben, brauchen andere vor allem eine emotionale Stütze. Stellen Sie sich nicht in eine Position, über die Bedürfnisse der Betroffenen zu urteilen, sondern richten Sie sich danach, was Ihre Freundin oder Bekannte braucht. Fragen Sie lieber ganz direkt „Wie kann ich dich unterstützen?“ statt Vermutungen anzustellen.
     
  • Achten Sie auf Ihre Worte
    Ein Mensch kämpft um sein Leben. Sätze wie „Gemeinsam schaffen wir das“ können auf die betroffene Frau ganz anders wirken, als sie gemeint sind. Obwohl diese gut gemeint sind und mit ehrlicher Intention ausgesprochen werden, weiß die Betroffene: Krank bin ich alleine, niemand schafft meine Krankheit für mich. Das Umfeld von Betroffenen darf natürlich Stütze und Ratgeber sein. Doch gewohnte Formulierungen sollten gut überdacht und überprüft werden. Wird das, was ich sagen möchte, in dieser Lebenssituation auch so verstanden? Versuchen Sie, auf Floskeln zu verzichten.
     
  • Geben Sie keine vorschnellen Tipps.
    Hören Sie genau hin, wenn die betroffene Person darüber spricht, was sie erlebt und beschäftigt. Vielleicht haben Sie Anregungen oder Ideen, die für Ihre Freundin oder Bekannte hilfreich sein können. Geben Sie ihr die Gelegenheit, sich in Ruhe damit zu beschäftigen und sich selbst ein Bild davon zu machen. Wenn Gesprächsbedarf besteht, sollten Sie, wenn immer möglich, zur Verfügung stehen.
     
  • Seien Sie offen für Neues.
    Manchmal verlagern sich die gewohnten Werteeinstellungen der betroffenen Frauen; berufliche Anerkennung, Aussehen, Finanzkraft oder Statussymbole verlieren an Bedeutung und machen den Blick auf den eigentlichen Menschen frei. Lassen Sie sich darauf ein und erlauben auch Sie sich vorurteilsfrei diesen neuen Blick. Außerdem wird Ihre Freundin oder Bekannte durch die Behandlung neue Menschen kennenlernen. Seien Sie offen dafür, diese auch in Ihrem Leben Willkommen zu heißen.
     
  • Machen Sie nicht den Fehler, alles besser zu wissen.
    Manchmal macht eine betroffene Person von außen betrachtet etwas vollkommen Absurdes, tut Dinge, die sie vor der Erkrankung nie gemacht hätte. Diese Phasen können kommen und gehen – greifen Sie nicht ein. Verzichten Sie auf Sätze wie „Das darfst du doch nicht, das solltest du besser sein lassen“, aber bestärken Sie sie auch nicht in allem. Ihr Gegenüber ist zwar krank, aber in keinem Fall von heute auf morgen dümmer geworden. Die Ihnen vertraute, selbstständige Persönlichkeit ist immer noch da. Sprechen Sie ihr nicht ihre Eigenständigkeit ab. Und lassen Sie es ab und an zu, überrascht und vielleicht auch inspiriert zu werden von den mitunter ungewöhnlichen Handlungsweisen.
     
  • Denken Sie als Angehörige auch an sich selbst.
    Auch Sie müssen Kraft tanken für diese neue Lebenssituation, damit Sie eine Stütze bleiben können. Formulieren Sie Ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen immer wieder neu und schaffen Sie sich in jedem Fall einen Ausgleich. Am besten können Sie für eine andere Person da sein, wenn es Ihnen selbst gut geht.

Der Genesungsweg der betroffenen Frau hält viele Hürden bereit und mitunter werden dabei auch Freundschaften auf die Probe gestellt. Wir möchten betonen, dass wir mit folgenden Beispielen niemandem zu nahe treten möchten oder andeuten, dass Betroffene nicht in der Lage dazu sind, Freundschaften zu pflegen. Von folgenden Schwierigkeiten haben uns Betroffene erzählt, in Ihrem Fall kann es aber auch ganz anders aussehen.

  • Dinge nicht zu persönlich nehmen
    Vom Umfeld der Betroffenen ist sehr viel Verständnis und Einfühlungsvermögen gefragt. Aufgrund der Situation können bei der Betroffenen Lebensfreude und Mut schon am nächsten Tag einer Niedergeschlagenheit und tiefen Bedrückung weichen und Sie als vertraute Person können das mitunter abbekommen. Unter solchen Stimmungsschwankungen leidet die Betroffene häufig selbst sehr, vor allem, wenn sie merkt, dass sie ihrem Umfeld Unrecht tut. Sie müssen eine von Brustkrebs betroffene Frau nicht in Watte packen, auch Ihre Bedürfnisse innerhalb einer Freundschaft haben ihre Daseinsberechtigung. Doch manchmal ist ein erhöhtes Verständnis und besonders viel Einfühlungsvermögen gefragt.
     
  • Nicht abschrecken lassen
    Nicht selten ziehen sich Betroffene oder Familien, in denen eine Brustkrebserkrankung auftritt, aus ihrem Umfeld zurück. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Versuchen Sie, mit dem Partner oder der Partnerin der Betroffenen und deren Kindern in Kontakt zu bleiben, ohne aufdringlich zu sein. Die zwischenmenschliche Beziehung gerade zu Personen aus dem Freundeskreis ist meist von enormer Bedeutung, auch wenn Sie eventuell gar nicht erfahren, wie sehr Sie gebraucht werden. Vielleicht werden Sie weggestoßen, die Betroffene meldet sich nicht oder geht nicht auf Ihre Angebote zur Unterstützung ein. Meistens hat dies aber nichts mit Ablehnung zu tun. Ihre Freundin bzw. Bekannte befindet sich in einer Ausnahmesituation, in der durchaus einmal alles zu viel werden kann. Haben Sie Geduld und Vertrauen in die Bindung, damit helfen Sie der Betroffenen schon sehr.
     
  • Flexibel bleiben
    Sie werden feststellen, dass regelmäßige Treffen zum Problem werden. Die Betroffene sagt vielleicht in letzter Minute ein Treffen ab, auf das Sie sich schon gefreut hatten. Oft hat das nichts mit fehlender Lust zu tun, es fehlt vielleicht ganz einfach die Kraft dazu.

    Sicher möchten Sie Ihrer Freundin weder zu viel Druck machen noch ihr das Gefühl geben, nicht mehr erwünscht zu sein. Hier haben wir häufig erfahren, dass eine Klärung im Vorfeld, schon ganz zu Beginn der Behandlung, hilfreich sein kann. So könnte gemeinsam besprochen werden: „Du, ich werde dich wie bisher immer zu allen Terminen ansprechen und fragen, ob du dabei sein willst – und nur dann machen wir das gemeinsam. Wenn du fünf oder zehn Mal absagst, macht das gar nichts, dann klappt es eben beim elften Mal. Und hast du dich mal entschlossen, mitzukommen und stellst dann fest, dass es ein Fehler war, dann gehen wir eben wieder“.

    Durch eine solch offene und wohlwollende Kommunikation wird auch Missverständnissen vorgebeugt. Denn nicht selten passiert es, dass die betroffene Person, wenn sie sich irgendwann besser fühlt, nicht mehr traut, den ersten Schritt zu machen und Gedanken auftauchen wie „Da braucht/will mich doch jetzt eh keiner mehr…“.
     
  • Werden Sie kreativ. 
    Falls Sie in der Vergangenheit Ihre gemeinsame Zeit mit vielen Aktivitäten gefüllt haben, gilt es nun, sich dafür Alternativen zu überlegen. Wenn Sie in der Vergangenheit gemeinsam viel und intensiv Sport in der Natur gemacht haben, dann versuchen Sie, diesen Kontakt zur Natur aufrechtzuerhalten. Intensiver Sport geht erstmal nicht – oft reichen kleinste Strecken, um einen Erschöpfungszustand zu erreichen, der sonst erst nach stundenlanger Beschäftigung eingetreten wäre. Vielleicht nutzen Sie mit der betroffenen Person die neue Situation, indem Sie sich ein Pflanzenbuch besorgen und auf Entdeckung gehen. Werden Sie kreativ und finden Sie gemeinsame Alternativen.

Falls die betroffene Person Kinder hat, stehen direkt sehr pragmatische, organisatorische Fragen im Raum, um den Alltag so problemlos wie möglich weiterführen zu können. Welche Aufgaben in Bezug auf die Kinder hat bisher die betroffene Frau übernommen? Wie können diese Aufgaben in Zukunft neu verteilt werden? Gehen Sie gedanklich eine typische Woche gemeinsam durch und achten Sie auch auf Kleinigkeiten, denn oft sind Handlungsabläufe schon so routiniert, dass sie erst auffallen, wenn sie nicht mehr durchgeführt werden können.

Neben den äußerlichen Veränderungen ist es nach einer Brustkrebserkrankung in der Familie aber natürlich auch besonders wichtig, emotional für die Kinder da zu sein. Beobachten Sie das Kind aufmerksam. Achten Sie darauf, durch die eigenen Probleme die der Kinder nicht zu übersehen. Ändert sich das Sozialverhalten, das Auftreten, die allgemeine Stimmung? Oft können schon kleine Veränderungen im Verhalten ein Anzeichen dafür sein, dass etwas nicht in Ordnung ist. Kinder können nicht komplett von den Ängsten und Sorgen, die die Diagnose mit sich bringt, abgeschirmt werden. Eine emotionale Reaktion auf die Erkrankung der Mutter ist unumgänglich.

Versuchen Sie nicht, unbedingt alleine damit klarkommen zu müssen. Der Zugang zu Kindern ist manchmal nicht leicht. Holen Sie sich fachkompetente Unterstützung von außen, zum Beispiel Beratungsstellen, die sich darauf spezialisiert haben. (die Pink Kids haben hier Fachstellen aufgelistet) Kinder, die über eine Situation nicht reden, tragen oftmals sehr dramatische Kämpfe in sich aus. Lehnen Sie andererseits nicht Gespräche einfach deshalb ab, weil Sie selbst vielleicht kaum darüber sprechen können. Scheuen Sie sich nicht, in eine Beratung oder Behandlung für sich und die Kinder zu gehen.

Ebenso spielt das Alter der Kinder mitunter eine Rolle dabei, inwieweit sie sich öffnen und anvertrauen können. Jugendliche machen oft zunächst vieles mit sich selbst aus. Weisen Sie Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren auf die Website www.pink-kids.de hin.

Kinder und Jugendliche können nach der Diagnose jedoch auch enorme Kräfte entwickeln und sich mit der Krankheit und der Hilfe für die Mutter intensiv auseinandersetzen. Versuchen Sie nicht, dies zu unterbinden. Wenn Kinder Aufgaben übernehmen möchten, mit denen sie bisher noch nichts zu tun hatten, schenken Sie ihnen das Vertrauen, diese auch bewältigen zu können. Versuchen Sie nicht, Kinder von selbstgewählten Zielen abzubringen.

Wenn Ihre Arbeitskollegin an Brustkrebs erkrankt ist, sollten Sie sich darauf einstellen, dass sie häufiger völlig unerwartet ausfällt und oft länger abwesend ist als geplant. Das wirft in einem Team vieles durcheinander und bedeutet mitunter deutlich mehr Arbeit für Sie.

Vielleicht haben Sie den Eindruck, keine große Hilfe leisten zu können. Ihrer Kollegin das Gefühl zu vermitteln, dass sie jederzeit wieder willkommen ist, ist aber schon von großem Wert.

Es wird immer wieder dazu kommen, dass es so scheint, als würde es bergauf gehen und das dann doch nicht der Fall ist. Stellen Sie sich auf solche Situationen ein. Wir können aus unseren Erfahrungen nur betonen: Die betroffene Person möchte in der Regel arbeiten, aufgrund der Erkrankung ist das nur leider nicht immer möglich.

Versuchen Sie, mit anderen KollegInnen und den Vorgesetzten ein Netz aufzubauen, welches tragen und die liegengebliebene Arbeit übernehmen kann. Wenn Ihnen dies gelingt, werden Sie nach vollständiger Genesung der erkrankten Kollegin eine wunderbare Erfahrung gemacht haben: Sie werden spüren, was es bedeutet, nicht nur über Probleme zu sprechen, die man gemeinsam zu lösen hat, sondern sie wirklich gemeinsam durchzustehen.

Falls Sie Ihre KollegInnen für das Thema Brustkrebs sensibilisieren möchten, besteht die Möglichkeit an unserem Webinar teilzunehmen, das wir kostenfrei für Unternehmen anbieten. Weitere Informationen finden Sie hier.