Nadja Seipel
Ich heiße Nadja, bin 46 Jahre alt und habe inzwischen seit 7 Jahren Krebs.
2015 bekam ich die Diagnose Brustkrebs, nachdem ich einen Knoten in meiner Brust selbst ertastet hatte. Vorher hatte ich noch nie Berührung mit dieser Krankheit, deswegen kam diese Diagnose auch einem Todesurteil für mich gleich. Was war ich naiv! Inzwischen bin ich glücklicherweise schlauer und weiß, dass Brustkrebs so weit erforscht ist, dass die Überlebensrate sehr hoch ist. Man könnte auch von Glück im Unglück reden. Meine Tochter war damals zarte 5 Jahre alt und erlebte, wie ihre Mama durch die Chemotherapie die Haare verlor, sie besuchte mich im Krankenhaus und auch in der folgenden Reha. Sie hat das alles so toll mitgemacht. Ich wurde mehrmals an meinen Brüsten operiert, da mir die Knoten und das Brustgewebe entfernt wurden. Ich entschied mich für Silikonimplantate, und meine Brüste wurden dafür mit einem Expander auf die entsprechende Größe gedehnt, bis das gewünschte Implantat eingesetzt werden konnte.
Dieses erste Jahr nach der Diagnose war ein sehr einschneidendes Jahr. Nicht zu wissen, wie das Leben weitergeht, die Nebenwirkungen der Chemotherapie und die unzähligen Krankenhausaufenthalte bestimmten unseren Alltag. Ich lebte in einer Parallelwelt. Und doch ging es mir fast immer recht gut. Vor der Diagnose hatte ich auf einen Marathon trainiert, den ich dann leider nicht absolvieren konnte, und so fing ich ziemlich bald nach der Chemotherapie wieder mit Sport an. Die Bewegung tat mir gut und 2017 absolvierte ich sogar einen Triathlon mit 1,8 km Schwimmen, 90 km Rad fahren und 21 km rennen. Das war gerade 1 Jahr nach der Chemotherapie. Ich startete in mein erneut gewonnenes Leben durch. Mit dem Schwerbehindertenausweis in der Tasche begann ich auch wieder Vollzeit zu arbeiten. Die Parallelwelt ließ ich hinter mir.
Doch leider ist diese Krankheit tückisch und kann sehr grausam sein. Im Januar 2021 ging es mir furchtbar schlecht. Ich litt unter Atemnot, röchelte, war sehr müde und kraftlos. Diesmal bekam ich die Diagnose „Pleuraerguss“. Flüssigkeit hatte sich zwischen meinem Rippenfell und Brustfell angesammelt, ich drohte innerlich zu ertrinken. Bei einer anschließenden Operation wurden mir 3,7 Liter Flüssigkeit aus dem Oberkörper entfernt. Ich bekam eine Drainage gelegt, dass ich mir selbst die Flüssigkeit bei Bedarf ablassen kann. Verrückt, oder?!
In dieser Flüssigkeit wurden bösartige Zellen gefunden. Jetzt habe ich Metastasen und bin somit palliativ. Oder auch chronisch krank. Die erneute Operation war in der Corona Zeit. Ich durfte im Krankenhaus keinen Besuch empfangen und bekam mitgeteilt, dass ich vielleicht noch 6 Monate zu leben hätte. Es wären so viele Metastasen in meiner Leber, Lunge, Knochen und Lymphen! Eine Psychoonkologin fragte mich noch im Krankenhaus nach meinem letzen Willen. So alleine hatte ich mich noch nie gefühlt. Keine Umarmung und alleine weinend im einsamen Zimmer. Diese Zeit war schrecklich.
Und doch ging es auch hier wieder aufwärts. Ich ging mit diesem Schlauch an mir nach Hause und mein Mann heiratete mich in der schlimmsten Phase meines Lebens. Auch der Schlauch wurde mir nach zwei Monaten wieder gezogen, da sich keine Flüssigkeit mehr bildete.Ich wurde im Nationalen Tumorzentrum (NCT) in Heidelberg in eine Studie aufgenommen und bekomme seitdem eine Tablettenchemo. Meine Metastasen sind seit Beginn der Therapie um sagenhafte 65% geschrumpft. Mir geht es soweit richtig gut. So gut, dass ich im Mai für drei Wochen pilgern war.
Natürlich bin ich nicht mehr "die alte". Die Narben, innen wie außen, heilen langsam. Und doch wird immer was von ihnen übrig bleiben. Freundschaften die mich belasteten, habe ich aufgegeben. Ich schiebe nichts mehr vor mir her. Ich würde mich auch nie bei dieser Krankheit für etwas bedanken, zu tief sitzt das Leid, dass unsere Familie deswegen schon durchmachen musste. Wir denken positiv, glauben an die Forschung und die Heilung, die es eines Tages geben wird. Wir bleiben zuversichtlich und verlieren die Zukunft nicht aus den Augen. Jeder Tag ist ein Geschenk und aufgeben keine Option für mich.
Deswegen finde ich es so wichtig, dass über Krebs gesprochen wird. Dass wir auf diese Krankheit und die Vorsorge aufmerksam machen. Ich möchte mit meiner Geschichte Mut machen.
Wer mehr über mich erfahren möchte:
Instagram: https://www.instagram.com/gewinnerbraut
Artikel im Stern: https://www.stern.de/gesundheit/brustkrebs--nadja-seipel-galt-als-geheilt--dann-kam-der-krebs-zurueck-32822228.html
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