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Matea Weindel

Hello, hello, hello ihr Lieben!

Mein Name ist Matea. Ich bin 27 Jahre alt, bin Erzieherin und komme aus dem wunderschönen Königswinter. Liebe es zu tanzen, Musik zu hören und Zeit mit Friends/Fam zu verbringen. Ich bin das Gesicht hinter miss(unterstrich)pinktastic und das hier ist meine Geschichte:

Im September 2020 erhielt ich die erschütternde Diagnose Brustkrebs. Mit gerade mal 25 Jahren.  Dabei bin ich nur wegen leichter Brustschmerzen zu meiner Frauenärztin gegangen. Niemals im Leben hätte ich gedacht, dass daraus diese Diagnose entsteht. Auch wenn ich vorbelastet bin, da meine Mum an Brustkrebs erkrankt ist und ich meine Frauenärztin öfter gesehen habe als manche meiner besten Freunde. So war ich nicht darauf eingestellt oder vorbereitet. Mit Mitte zwanzig denkst du nicht daran. Man denkt, man ist unbesiegbar und kann einfach alles schaffen. Hat die naive Denke „das werde ich nicht bekommen“.

Diese Diagnose hat mein Leben komplett verändert. Mir die Luft zum Atmen genommen und mich unter sich begraben. Es war einfach nur furchtbar und wirklich in Worte fassen kann ich es nicht. Es war so verdammt surreal. Vom Moment der Mammographie über die Stanzbiopsie hin bis zum Augenblick der Wahrheit. Es gibt wirklich Situationen, die brennen sich in dein Hirn ein. Die vergisst du nicht. Als mein Arzt die Tür aufgemacht hat und ich seinen Gesichtsausdruck gesehen habe, das war so eine Situation. Er musste nichts sagen, kein Wort. Wozu auch? Seine Augen, der Blick sagten ALLES. „Ich würde Ihnen gerne etwas Anderes mitteilen … aber sie haben Krebs.“ In diesem Augenblick habe ich aufgehört zu atmen, zu existieren. Ich habe meinen Körper verlassen. Wie eine kaputte Schallplatte wiederholten sich diese Worte in meinem Kopf. SIE HABEN KREBS SIE HABEN KREBS SIE HABEN KREBS. Meine Emotionen fuhren Achterbahn und gleichzeitig war ich leer. Millionen Gedanken rasten durch meinen Kopf und auch war ich leer. In mir tobte ein Sturm und die Stille. Mein Bruder, welcher mich begleitet hatte, war mit meinem Arzt schon mehrere Schritte weiter. Doch ich hing noch an diesen Worten. Ich wollte das nicht. Klar, niemand würde so etwas freiwillig wollen. Aber nicht schon wieder. Ich musste dem Tod ein weiteres Mal ins Auge schauen. 2018 hatte ich einen Schlaganfall. Das war einfach nicht fair. Es war nicht gerecht. Mein Leben hatte gerade angefangen. Ich hatte gerade gestartet. Meine schönen Zwanziger zu beginnen. War kurz davor meine Ausbildung zu beenden. Ich schaute mich im Raum um und hoffte. Auf ein Wunder. Dass irgendwo Kameras versteckt waren. Mein Arzt sagen würde „verarscht“. Doch der Moment kam nicht. Er würde nicht kommen. Diese Erkenntnis war hart. Bitter und schmerzhaft. Doch sie war nicht das Einzige. War nicht der letzte Moment, welcher schmerzen sollte.

Zu  Hause angekommen wollte ich einfach nur weg. Einfach rennen. Wollte nicht in den Garten gehen. Wollte das Leben meiner Eltern, meiner Familie nicht ruinieren. Wollte sie nicht einweihen. Ihnen sagen „Hey, eure Tochter ist wieder sterbenskrank. Und diesmal weiß man nicht, ob ich leben werde.“ Es brach mir das Herz. Denn ich hatte es selbst noch nicht realisiert. Und musste es nun ihnen mitteilen. Und nicht nur ihnen. Meinen Mädels, meiner zweiten Familie. WIE? Keiner bereitet dich darauf vor. Es gibt kein Handbuch, kein 1:1, keinen Plan.  Niemand zeigt dir, wie es geht, was man sagt. Wie man ein solches Gespräch beginnt. Was die richtigen Worte sind. Ich habe an dem Abend begonnen. Habe eine meiner besten Freundin angerufen. Und als der Bildschirm aufploppte und ich ihr lächelndes Gesicht sah brach in mir etwas. Schon wieder. Sie weinte - ich lachte. Ich hatte keine Tränen mehr über. Dachte ich.

Am nächsten Tag stand die nächste Hürde an. Mich von meinem Job verabschieden. Meinem Team. DEN KIDS. Ich liebte es. Meinen Job. Die Arbeit mit den kleinen Monstern. Sie bedeuteten mir die Welt. Und so viel mehr. Der Weg zu meiner Einrichtung fühlte sich wie der letzte an. Das letzte Mal. Dies schwirrte mir durch den Kopf. Dass all das, all diese Momente, die Begegnungen, Zeit mit meiner Familie, Freunden das letzte Mal sein könnten. Das letzte Mal, dass ich die Sonne sehe, sie auf meiner Haut fühle, in meinem Bett aufwache, Eis esse, durch diese Gänge gehe, die Kinder sehe. Im Büro meiner Chefin kamen sie erneut, die Gedanken. Ein Tsunami. Ohne Halt. Ihre Umarmung war so tröstend. So voller Wärme und Mitgefühl. Sie versprach mir, dass wir das schaffen würden. Dass ich mir keine Sorgen machen sollte. Ich erstmal gesund werden sollte. Und sie alle warten. Erleichterung machte sich breit. Und unendliche Dankbarkeit. Ich meine, welcher Arbeitgeber macht das? Für mich war das nicht selbstverständlich. Ich verabschiedete mich von ihr.

Kaum aus der Tür ging der Trubel weiter. Meine Frauenärztin hatte mir einen Termin in einem Brustzentrum besorgt. Auf auf. Im Wartezimmer wurde mir wieder unwohl. Es wurde real. So verdammt real. Und alles in mir sträubte sich. Bevor ich rennen konnte, wurde mein Name gerufen. Verdammt. Im Gespräch mit dem Arzt schaltete ich ab. Ich kannte es schon, musste es nicht noch einmal hören. Er klärte mich, meinen Bruder und meinen Vater auf. Über den weiteren Verlauf. Die Optionen. Was anstand. Eine Höllenwoche. Voll mit Untersuchungen und Terminen. JEDEN TAG. Ich würde komplett auf den Kopf gestellt werden. Was für eine Freude. Ich meine, wer verbringt nicht gerne Zeit im Krankenhaus? Wer lässt sich nicht gern piksen, aussaugen, in Röhren schieben. Hat Millionen Gespräche mit verschiedenen Ärzten. Von Kinderwunsch bis hin zu Onkolambulanz. Gibt doch nichts Besseres. Am Ende der Woche saßen wir wieder im Brustzentrum. Und der Plan stand. Nun hieß es erneut und mehr als zuvor „READY SET FIGHT“.

Es folgten die schlimmsten und absolut härtesten Monate meines Lebens. Ein regelrechter Marathon und Kampf nicht nur gegen den Krebs sondern auch die Zeit. Denn Zeit war etwas, was wir nicht hatten. Sie war unser größter Feind, das größte Problem. Bevor wir mit dem ersten Schritt beginnen würden, hatte ich eine Entscheidung getroffen. Meine Haare würden verschwinden. Ich würde sie rasieren. Bevor sie mir ausfallen würden. So vieles war fremdbestimmt. Lag nicht mehr in meinem Bereich. Ich hatte keine Macht, konnte nicht wirklich mitentscheiden. Doch das, das konnte ich entscheiden. Ich konnte diesen Schritt gehen. Gesagt getan. Und so hart es war, zu sehen wie sie auf den Boden rieselten, so sehr war es eine Erleichterung. Ja es machte diesen ganzen Mist ein ganzes Stück realer. Aber ich fühlte mich gut.

Kurz darauf ging es los. Mit Chemotherapie. Einer Therapie, welche deinen Körper schwächt. Und du kannst nix dagegen tun. Du siehst dir beim Zerfall zu. Bist gefangen im eigenen Körper. Kannst nicht entfliehen. Alles war schwer, anstrengend. Jede Bewegung bedurfte so viel Kraft. Fühlte sich an als wäre ich einen Marathon gelaufen. Die Übelkeit hatte einen Daueraufenthalt gebucht. Jeder Tag, den ich nicht überm Klo hing, war ein guter Tag. Ich war am Boden. Ausgelaugt, ausgepowert, schwach, fragil. Alles schien so weit weg. So fern. Nach meiner ersten Chemo lag ich abends im Bett und weinte mich in den Schlaf. Wie sollte es weitergehen? Wie sollte ich das weiterhin packen? Wie sollte ich die nächsten drei Chemos packen, allein die nächste in 2 Wochen. Es schien unmöglich. Und doch ging es irgendwie. Irgendwie pushte ich mich. Half mir hoch. Aber nicht nur ich. Meine Familie half mir. Gab mir Kraft und Energie. Durch die Chemo lernte ich meinen Chemobuddy kennen. Meine Weggefährtin. Mein Auffangnetz war da, wenn ich es brauchte. Nach den vier Einheiten aus der Hölle folgten 12 Wochen mit einer leichten Dosis. Und die war im Vergleich wirklich leicht. Suspekt, wenn man über Chemo redet. Mitte Februar war es geschafft. Kein Gift mehr, keine Übelkeit, keine tauben Finger / Zehen.
Nun ging es an den nächsten Schritt. Die OP mit Brustaufbau. Ich würde Boobs bekommen. Das war wie Weihnachten und Geburtstag. Es war die Belohnung. Meine Belohnung. Im März folgte die OP. Dies sollte für mich den Abschluss kennzeichnen. Bye bye Krebs, hallo neue Brüste. Klar standen noch Therapien an, aber es war mir egal. Das große dunkle Kapitel würde damit einen Abschluss haben. Doch dieses Glück hielt nicht lange. 10 Tage später wurde mir erneut der Boden unter den Füßen weggerissen. Ausgerechnet bei der Kontrolluntersuchung. Mein Arzt saß mir gegenüber und ich fühlte mich zurückversetzt. In den September. Den Moment der alles veränderte. Er wollte es mir nicht sagen, kämpfte mit sich. Ihm brach es das Herz. Und ich brach zusammen.

Der pathologische Befund zeigte, dass es im gesunden Gewebe meiner Brust nur so leuchtete vor Krebszellen. Alles umsonst. ALLES. Es hatte doch so gut funktioniert. Es sah doch alles so vielversprechend aus. Es sollte nicht so enden. Sollte nicht diese Wendung nehmen. Er nahm meine Hand und drückte sie. In dem Moment wurde mir etwas bewusst. Ich hatte ihn nach der OP nur zwei Mal gesehen. Danach nicht mehr. Er erklärte mir, dass er sich zurückgezogen hatte. Dass er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte. Sich mit Kollegen und Kolleginnen zusammengesetzt hatte. Mehrere Meinungen eingeholt. Bücher, Reporte, Studien gewälzt hatte. Gesucht hatte. Nach einem Ausweg. Einer Alternative. Einem anderen Weg als welchen er mir eröffnete. MASTEKTOMIE. Mir blieb das Herz stehen. Durch meine Mum wusste ich, was dieses Wort bedeutete. Wie es aussah. Ich würde meine Brust verlieren. Ich müsste etwas aufgeben. Ein Teil von mir. Welcher mich feminin, weiblich macht. Es gab einen anderen Weg, doch dieser war nicht besser. Wir könnten es so lassen. Ich würde in kurzen, regelmäßigen Abständen zu Kontrollen kommen. Wenn man was finden würde, würde man operieren. Und das Jahr um Jahr. Mit der Angst, der Ungewissheit. Pest oder Cholera? Wofür entscheidet man sich? Welchen Weg geht man? Wie entscheidet man? Wie wiegt man ab? Erneut saß ich im Wohnzimmer. Umgeben von meiner Familie. Musste ihnen unter Tränen erklären, wie der Termin verlaufen war. Wieder Herzen brechen. Wieder kämpfen. Mit mir, meinen Emotionen, Gefühlen. Schlaflosen Nächten und einer Entscheidung. Auf welche ich mich nicht vorbereiten konnte. Wie auch? Wie bereitet man sich auf einen solchen Eingriff vor? WIE? Es war ein Trancezustand. Ich wusste nicht was ich fühlen oder empfinden sollte. Ein Tag vor dem großen Tag saß ich bei einer Psychologin. Als ich ihr erklärte, warum ich da war und wann die OP war, fiel ihr alles aus dem Gesicht. Sie war sprachlos. Willkommen im Team. Ein Tag später war es soweit. Ich saß im Zimmer auf meinem Bett und hörte Musik. Durch die Tür kam die Onkopsychologin der Station. Wir sprachen etwas. Plötzlich stand eine Schwester im Zimmer. Ich könnte mich für die OP vorbereiten. Die Psychologin ging und ich bekam Panik. In diesem Moment hatte es Klick gemacht. Mir wurde klar was passieren würde. Was geschehen würde. Ich bekam keine Luft, konnte nicht aufhören zu weinen. Ertrank. Warf einen letzten Blick in den Spiegel. Auf meinen Körper. Mein altes Ich. Meinen alten Körper. Den kompletten Weg vom Zimmer bis zum OP Saal strömten die Tränen. Die Angst, die Trauer, die Realität. Es war viel. So viel. Die erste Nacht habe ich nur geweint. Mich in den Schlaf geweint. Am Morgen kamen eine Schwester und die Psychologin. Es war Zeit den Verband zu entfernen. Ein Blick nach unten. Eine Brust weniger, eine riesige Narbe. Vorsichtig strich ich drüber. Spürte direkt Knochen. Kein Gewebe, keine Haut, keine Brustwarze. Ungleich.. Was ich empfunden habe? Nichts. Wobei, nein. Es war okay. Ja wirklich. Abgehakt und weiter.

Kurze Zeit darauf rief die Bestrahlung. Meine Freude war riesig. Was auch sonst. Die ersten Einheiten waren okay. Ohne große Probleme. Im Vergleich zu den Therapien zuvor war dies easy. Komisch das zu sagen, ich weiß. Ich hatte ein wenig Leben zurück. War in der Eingliederung auf der Arbeit, hatte seit Januar wieder am Unterricht teilgenommen. Es fühlte sich etwas normal an. Gewohnt. Neben den Einheiten schrieb ich noch an meiner Abschlussarbeit, meine schriftlichen Prüfungen. Fragt mich nicht. Wenn ich heute daran denke, bin ich erstaunt, wie ich das gemeistert habe. Doch auch diese Glückssträhne sollte nicht lange halten. Mitte der Therapie ging es los. Meine Haut fing an zu reagieren. Nebenwirkung der Bestrahlung sind Reaktionen ähnlich einem Sonnenbrand. Und meist minimal. Ha ha ha ha. Nicht bei pigmentierter Haut. Ich hatte offene Stellen, meine Haut war verbrannt, schwarz und dunkel. Nichts half, nada. Zuhause musste ich oberkörperfrei rumlaufen. Keine Creme, kein Gel. Zu der entstellenden Narbe gesellte sich so noch mehr dazu. Der Blick in den Spiegel war schmerzend. Dies war der Moment, wo ich beschloss STOP zu sagen. Stop zu dieser Therapie, Stop zu weiteren Einheiten, Stop zu weiteren Schmerzen und Nebenwirkungen. Ich mache viel. Gerade wenn es um meine Gesundheit geht. Ohne Maulen, ohne große Einwände. Bin die erste an der Startlinie und ziehe durch. Aber zu welchem Preis? In welcher Relation? Dies war der Moment in dem ich begriff. ICH KANN UND DARF NEIN SAGEN. Denn ja, die Ärzte wissen was sie tun, was medizinisch das Beste für einen ist. Aber es ist MEIN KÖRPER. Ich stecke drin. Ich muss diese Therapien machen. Ich muss sie über mich ergehen lassen. Ich muss da durch. Niemand sonst. MY BODY MY CHOICE. Zum Leidwesen meiner Ärztin habe ich nach 23 Einheiten von 28 aufgehört. Etwas Erholung sollte bald kommen. War zum Greifen nah. REHA. Und sie war ein Wendepunkt. In vielen Bereichen.

Doch zuerst stand mein Abschluss an. Für mich inoffiziell, doch ich bin hin. Ich wollte mit meiner Klasse diesen Erfolg feiern. Wie alle so nach und nach nach vorne gerufen wurden, wurde mein Herz etwas schwer. Zum einen war ich stolz auf mich. Ich hatte es neben Krebs fast geschafft. Schule und Prüfungen gerockt.  War dem Ziel soooo nah. Und doch würde mein Name nicht aufgerufen werden. Ich war noch nicht fertig. Mir fehlte ein Schritt. Doch mein Name wurde aufgerufen. Ich ging nach vorne und der Applaus war riesig. Meine Schulleitung nahm mich in die Arme und gratulierte mir. Sie sah so stolz aus. Die Blicke einiger meiner KlassenkameradInnen waren ähnlich. Ich bekam zwar kein Zeugnis, dafür aber eine Rose und Anerkennung.

Kurz darauf ging es nach Kiel. Ans Meer. Mehr wollte ich nicht. Das war mein einziges Kriterium für die Reha. Ich bin ein Inselkind. Geboren im Sommer. Ich brauche Wasser, Meer, Sonne. Und mein Wunsch war erfüllt worden. Natürlich haute ich den Durchschnitt wieder nach unten. Mindestens einmal am Tag wurde ich gefragt, ob ich dort arbeitete. Alte Kamellen. Schnell hatte ich Anschluss gefunden. Und genoss es. Ich kam zum ersten Mal nach fast einem Jahr zur Ruhe. Musste nichts entscheiden. Musste zu keiner Therapie. Musste nicht funktionieren. Konnte durchatmen. Konnte meine Akkus aufladen, wieder zu Kräften kommen. Doch war es auch die Zeit, in der ich es realisierte. Durch das Runterkommen mache es bei mir Klick. Wie ein Kartenhaus fiel etwas in mir in sich zusammen. Führte zum ersten großen Breakdown. Eine Flut an Tränen. Ich ertrank in Emotionen, war verloren, konnte wieder nicht atmen. In meiner Not rief ich meinen Bruder an. Dieser befand sich gerade im Urlaub. Sein Partner ging ran und es killte mich. Während ich auf dem Boden meines Zimmers saß, hörte man am anderen Ende das Leben. Musik, Menschen, gute Laune. Das Einzige was ich rausbrachte war sein Name. Wenige Sekunden später war er da. „Ich mag mich nicht.“ Lachen am anderen Ende. „Matea…endlich!“ Verwirrung machte sich breit. „Natürlich magst du dich nicht. Wie denn auch? Du hast einen Teil von dir verloren. Das ist normal.“ „Warum endlich?“ „Weil ich, wir alle uns gefragt haben, wann der Moment kommt. Du wirktest so stark. So lange. Früher oder später wäre es passiert.“ Wir sprachen noch eine Weile. Etwas erleichtert legte ich mich ins Bett. Danach wurde es etwas besser. Ich bekam regelmäßig Therapie. Zeit zu heilen. Diese ging weiter. Nach der Reha flogen wir in Familienurlaub. Nach Portugal. Und es war so wundertoll. Leichtigkeit, Sonne, Meeresluft. Es tat uns allen gut. Nach den turbulenten Monaten. Ich habe mich lebendig gefühlt.
Mit neuer Energie, aufgeladenen Akkus ging es wieder back. Zurück ins Leben. In den Alltag. Die Realität. Und die hatte es in sich. Es war ein regelrechter Clash. Mein altes Ich/Leben und mein neues Leben. In den kleinsten, unbedeutendsten Augenblicken. Ich kam schneller an meine Grenzen, war schneller kaputt. Ich brauchte länger, musste mir mehr aufschreiben. Meine Reaktionen waren nicht mehr die schärfsten. Überall lauerten Trigger. Es lief zwischendurch drunter und drüber. Ich hasste es. Fand es furchtbar. Warum? Es war mal wieder nicht fair. Ich wollte doch nur mein Leben zurück.

Therapie war die Lösung. Sie war meine Rettung. Mein sicherer Hafen. Mein Anker. Mein Safeplace. Wo ich alles rauslassen konnte. Ohne mich zurückzuhalten, ohne dreimal nachdenken zu müssen. Ohne auf irgendwas zu achten. Ich konnte ich sein. Verletzlich, schwach, ehrlich. Sie war und ist noch immer eine Riesenstütze. Etwas was meine Therapeutin mir mitgegeben hat, was ich gern mit euch teilen würde, ist Folgendes:
„Die Zeit der Akuttherapie zählt nicht. Denn Sie haben nur funktioniert. Die ersten 2- 3 Jahre danach werden die Herausforderung sein. Und Sie müssen nicht immer stark sein. Sie dürfen fluchen, schreien. Es scheiße finden. SIE MÜSSEN GAR NICHTS. Wir müssen nicht immer funktionieren, zu allem „Ja und Amen sagen“. Unsere Geschichte, was uns passiert ist, runterspielen. Dürfen schwach sein. Alle Emotionen sind wichtig. Haben ein Recht da zu sein. Sollten zugelassen werden. Egal wie negativ und mies und unerwünscht. Nur so kommen wir weiter.“

Das Leben nahm seinen Lauf und es wurde langsam. Kleine Erfolge, kleine Schritte. Ich beendete meine Ausbildung, fing an in Teilzeit zu arbeiten. Bekam einen Hauch Leben zurück. Doch es war nicht komplett. Ich war nicht komplett. Es fehlte etwas. Jeder Blick in den Spiegel erinnerte mich daran. Jedes zu kurze, enge Oberteil. Fotos von mir. Erinnerungen. Ich fühlte mich so verdammt unwohl. Hasste meinen Körper. Mein Spiegelbild. Fühlte mich weder weiblich, sexy, feminin. Versteckte mich mehr als zuvor in oversized Klamotten. Vermied Bikinis, Tops und Co. Schwarz wurde mein bester Freund. Und jeder der mich kennt, weiß, dass das erschreckend ist. Mein Kleiderschrank ist bunt, laut, eine Explosion. ICH LIEBE FARBE.

Als wäre das nicht schon genug hatte ich zu kämpfen. Folgen der Chemo und 3 Millionen Nebenwirkungen. Und das ohne die Antihormontherapie. Ich bekam meine Tage nicht mehr. Wurde ungewollt in die Menopause versetzte. MIT 26. Eine Granny im Körper einer Zwanzigjährigen. Hitzewallungen, Hitzeschübe, Chemobrain, Gelenkbeschwerden, Kribbeln oder Taubheitsgefühl in Fingern und Füßen. DER TRAUM.

Doch der wahre Traum sollte noch kommen. Im folgenden September hatte ich meine jährliche Kontrolluntersuchung. Ich sollte Brüste bekommen. Ich sollte meine Boobs bekommen. Wieder ich werden. Denn ich kleiner Lauch hatte genug gegessen. Fett angespart. Und es würde reichen. Es war genug. Es würde passieren… Ende November war es so weit. Der Tag war gekommen. Wieder weinte ich. Doch es waren Freudentränen. Nachdem ich die erste Nacht überstanden hatte, welche die kritische ist, durfte ich auf die Normalstation. Doch Bewegung stand nicht auf dem Plan. Die ersten 3 Tage musste ich das Bett hüten. Yay. Doch ich habe es überlebt. Montags durfte ich endlich aufstehen und mich auch duschen. Zwar mit Hilfe, aber ich nahm, was ich konnte. Die Schwester half mir auf den Hocker vor dem Waschbecken und zog das Kittelchen nach unten. Meine Augen wurden groß und mein Herz setzte aus. ICH HATTE BRÜSTE. Tränen flossen mir über die Wangen und ich konnte nicht aufhören zu lächeln. ENDLICH. Ich hatte es geschafft. Für diesen Anblick. Für diesen Moment. Für diesen Augenblick. Dafür bin ich durch die Hölle gegangen. Habe gelitten, gekämpft. ES WAR ES WERT.

Dieser Teil meines Lebens war nicht einfach. Es war kein Kinderspiel. So eine Diagnose, alles, was sie mit sich bringt und beinhaltet, macht etwas mit dir. Sie verändert dich und stellt dich vor so viele Herausforderungen. Sie bringt dich mehr als einmal an deine Grenzen. Oft genug wollte und konnte ich nicht mehr. Wollte einfach aufgeben und nicht mehr weitermachen. War ausgelaugt und am Boden. War einfach müde. Immer und immer wieder musste ich kämpfen. Und gefühlt immer dann, wenn es einen kleinen Lichtblick gab, wurde ich wieder zu Boden gedrückt. Jetzt bin ich krebsfrei.
Was ich euch mitgeben kann bzw. will, das ist eine schwierige Frage. Auch hier fallen mir Millionen Punkte ein, Millionen Dinge.

Zunächst einmal möchte ich aber etwas loswerden. Wie jemand mit einer solchen Krankheit, der Diagnose und allem, was dazu gehört und was sie mich sich bringt, umgeht, ist vollkommen okay und legitim. Das muss jeder für sich individuell rausfinden. Mein Weg beinhaltete (und das tut er noch immer) Humor, eine positive Einstellung. Dieser Weg ist und muss nicht deiner sein <3

Es gibt ein „Saying“, was es für mich ganz gut zusammenfasst. „You are braver than you believe, stronger than you seem and smarter than you think“. Oft genug stand ich am Abgrund. Konnte nicht mehr, wollte nicht mehr. Hatte das Gefühl zu ertrinken. Lawinen an Gedanken und Gefühlen schlugen auf mich mehr als einmal ein. Begruben mich. Ich habe mich gefragt wie ich das schaffen soll. Ob ich es kann. Ob ich überleben würde. Zwischen Aufgeben und Weitermachen war es ein sehr schmaler Grat. Angst, Überforderung, Hilflosigkeit, Trauer waren stets Begleiter. Jeden Tag, mehrmals in der Woche schien es einfach unmöglich. Und genau in diesen Momenten ist es passiert. Diese Momente waren es, welche mich wieder haben aufstehen lassen. In denen ich meine Boxhandschuhe ausgegraben habe, mich berappelt habe und gesagt habe „Ready, Set, Fight“. Denn nichts ist unmöglich. Ich sage nicht, dass es einfach ist. Dass es einfach war. Aber man hat immer eine Wahl! „You always have the chance for change“. Dass dies nicht von einem auf den anderen Tag geht, ist klar. Es braucht Zeit. Es braucht Niederschläge, die dunklen, negativen Phasen. Es ist eine Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen. Wichtig ist, dass man diese zulässt. Denn es ist okay. „It is okay not to be okay“. Man muss nicht immer stark sein, gute Miene zum bösen Spiel machen. Man muss nicht immer alles schlucken. Mit Allem einverstanden sein. Es einfach über sich ergehen lassen.  Man darf es hassen, weinen, scheiße finden, schreien, die Welt und sich verfluchen, fragen wieso… ALLES UND SO VIELES MEHR. Denn es ist unser gutes Recht!

DAS WICHTIGSTE ZUM SCHLUSS

Seien wir mal wirklich ehrlich. Wenn man solch eine Krankheit hat und sie bekämpft ist das eine zweite Chance. Auf sich, für sich, aufs Leben. Am Ende des Tages kommt es nicht auf die Anderen an, sondern auf DICH! Am Ende des Tages muss man selbst glücklich und zufrieden sein. Wir müssen es Niemanden Recht machen, Niemanden beeindrucken, Niemandem beweisen. Es geht ganz allein um uns. Du bestimmst. Du gibst den Ton an. Du entscheidest das Tempo. Nur man selbst weiß, was man braucht, was einem gut tut und man will. Unsere Gesundheit, unsere Zeit. Und das sind zwei Dinge, welche man nicht wiederbekommt. Vieles im Leben ist vergänglich. Wir beschäftigen uns viel zu sehr mit dem, was war und was sein wird.  Lebt im Hier und Jetzt. Genießt jeden Moment. Trag das Kleid, die Schuhe. Gönn dir den Kuchen, die Tasche. Fülle dein Leben mit Good Vibes, Happiness, Love, Laughter - Momenten und Erlebnissen. Weniger denken, einfach mal machen. Denn wer hält dich ab? Was hindert dich? Nichts. Das Leben ist schon ernst genug, wir müssen es nicht noch ernster machen oder nehmen. Eine Prise Charme, Humor, Witz kann nie schaden. Wir alle sind Kunst, gezeichnet vom Leben. Wir alle haben Ecken und Kanten, doch am Ende des Tages sind wir ziemlich bombe. Wir alle sind bunt, divers - unique. Nicht von der Stange!

Macht, was euch glücklich macht. Was sich gut und richtig anfühlt. Es ist kein Gruppenprojekt. Es ist egal was Andere von und über euch denken. Wie sie euch sehen. Denn es geht nur um eine Person. DICH. Wir wurden nicht auf diese Erde gesetzt, um Anderen zu gefallen, gar mehr zu gefallen als uns. Wir haben nur dieses eine Leben. Nur eine Chance. Wir müssen davon wegkommen, dass wir unendlich viel Zeit haben. Dass wir aufschieben und verschieben können. Dass uns sowas nie passiert. Krebs ist es egal, wer ihr seid, wo ihr herkommt, WIE ALT IHR SEID. Er macht keinen Halt. Vor Niemandem. Aber auch ohne Krankheit. Es ist euer Leben. Ihr entscheidet. Lebt. Genießt es. Füllt es. Verbringt es mit Menschen, die euch gut tun. Die euch pushen, supporten. Euch Energie geben statt sie zu klauen. Lebt es ein wenig mehr so als wäre morgen euer letzter Tag. Gönnt euch. Lebt, sodass ihr später darauf zurückblicken könnt und nichts bereut. Denn nochmal können wir es nicht machen. Lieber ein kurzes aber geiles und intensives Leben als eines voller „hätte, wäre, würde“. Ihr müsst euch nicht schlecht fühlen, rechtfertigen oder zurückhalten. Seid wie ihr seid. Denn so seid ihr perfekt. Ihr müsste es nur EUCH recht machen, EUCH glücklich machen. Wie das aussieht, was es ist? Who knows. Findet es raus. Es muss nur für euch Sinn ergeben. Kopf aus, Herz an. Das Leben ist zu kurz.

An alle Frauen da draußen: Geht zur Vorsorge, lasst euch durchchecken. Denn eure Gesundheit wird es euch danken. Und ist das wichtigste Gut, was ihr habt. Sie kann man nicht kaufen.
An alle Cancerqueens da draußen. Egal ob ihr gerade die Diagnose bekommen habt, mitten in der Therapie steckt, es geschafft habt oder erneut kämpfen müsst. Ihr könnt verdammt stolz auf euch sein. Ihr seid Fighter, Survivour und Queens!

YOU ARE A QUEEN.