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Tatjana Schwägerl

Die Diagnose war für mich ein Schock: Brustkrebs mit 26 Jahren. Doch ich bin stärker als der „Bobbel“ und möchte meine positive Energie an andere Betroffenen weitergeben.

Mein Name ist Tatjana und ich bin mittlerweile 27 Jahre alt. Seit gerade einmal 3 Jahren stehe ich nach meinem Studium im Berufsleben. Ich wohne in München und arbeite als Projektmanagerin bei einem Automobilhersteller. Ich pendle jedes Wochenende in die Heimat nahe Ulm, knapp eineinhalb Stunden entfernt von der bayrischen Landeshauptstadt. Dort habe ich nämlich mein eigenes Pferd stehen. Eine sehr hübsche braune Stute namens Fee. Die gute Fee, wenn man so will! Neben Pferd wohnen hier auch mein Freund und meine Familie. Ich freue mich jedes Wochenende darauf, die ländliche Ruhe als Ausgleich zum Großstadtleben zu genießen.

Die Horrorgeschichte fing im Mai an. An einem ganz normalen Arbeitsalltag wurde ich von meinem Wecker zur Arbeit geweckt. Ich weiß noch ganz genau, es war ein Donnerstag. Warum auch immer, ich bin mit meiner Hand über meine rechte Brust gestreift - und plötzlich war da ein golfballgroßer „Bobbel“ zu tasten. Da ich am folgenden Montag eh einen Frauenarzttermin hatte, um die Verhütungsmethode zu wechseln, machte ich mir keine großen Gedanken. Bei dem Termin wurden Ultraschallaufnahmen gemacht und eine Zyste vermutet. Meine Frauenärztin schickte mich aber in die nächste Runde zur Radiologie. Hier wurde ebenfalls eine Zyste vermutet. Der zuständige Arzt meinte im Gespräch, dass er etwas Flüssigkeit darin sehe. Ich solle doch in drei Monaten nochmal kommen und parallel bei meiner Frauenärztin einen Bluttest auf Tumormarker machen. Gesagt, getan - ich also wieder zu meiner Frauenärztin, um zum einen den Bluttest einzuleiten und zum anderen um eine Stanzbiopsie machen zu lassen, zu der mir meine Ärztin geraten hatte, um 100-prozentige Sicherheit zu haben. Wenige Tage später kamen die Ergebnisse vom Blutbild - alles okay. So ein gutes Blutbild sieht man selten, so meine Frauenärztin. Mir fiel natürlich ein Stein vom Herzen und ich war mega erleichtert. Ich hatte aber ja noch den Biopsietermin eine Woche später ... Meine rechte Brust wurde örtlich betäubt und es wurde über eine Nadel Gewebe des „Bobbels“ entnommen. Ich war damals sehr entspannt, da ja im Bluttest nichts Auffälliges war. Außerdem ernährte ich mich gesund und machte Sport, war immer viel an der frischen Luft und fühlte mich so fit wie nie zuvor ...

Am 19. Juni 2018 wurde ich mit noch 26 Jahren vom Gegenteil überrumpelt. Als der Anruf einging, war ich von der Arbeit aus mit meiner Abteilung auf einem Workshop am Tegernsee. Ich sah die Nummer der Klinik der Stanzbiopsie auf meinem Handy. Während der Gruppenaufgabe habe ich den Besprechungsraum verlassen und nahm den Anruf entgegen. „Wo treffe ich Sie denn gerade an?“ fragte mich die bekannte freundliche Stimme der Ärztin. Mit dieser Frage wusste ich Bescheid und mein Herz pochte wie blöd. Sie teilte mir am Telefon mit, dass die Ergebnisse aus der Pathologie vorlagen und ich einen bösartigen Tumor in mir hatte. Einer meiner Kollegen fuhr mich nach Hause, wo mich meine Eltern zusammen mit meinem Freund abholten. Ab diesem Zeitpunkt ging alles Knall auf Fall.

Der erste Arzttermin in der Klinik brachte gleich die nächste Hiobsbotschaft mit sich. Da ich noch so jung war, lautete eine der Fragen, ob ich jemals Kinder haben möchte. Ja, ich wollte irgendwann mal Kinder haben. Aber dadurch, dass ich noch nicht allzu lange im Berufsleben stand, war das bei uns bisher kein Thema. Triple negatives Mammakarzinom heißt die genaue Bezeichnung meines Brustkrebs. Bei dieser Art Krebs ist nur eine Chemotherapie hilfreich, da der Tumor auf andere Therapieformen nicht reagiert. Die dafür notwendigen Rezeptoren sind nicht vorhanden. Eine somit bei mir erforderliche Chemotherapie hat allerdings das Risiko, unfruchtbar zu werden, sodass Maßnahmen eingeleitet werden mussten, um den späteren Kinderwunsch abzusichern. Es wurden zum einen von der linken Seite des Eierstocks Gewebe entnommen, welches eingefroren wurde. Dies kann zu einem späterem Zeitpunkt, wenn ich wieder gesund bin, als körpereigenes Gewebe wieder implantiert werden. Zum anderen wurden von der rechten Seite des Eierstocks Eizellen stimuliert und als diese reif genug waren, stand in einer Operation die Entnahme an. Die Kosten der beiden Maßnahmen belaufen sich auf ca. 6000 Euro. Und jetzt kommt der Hammer: Diese wahnsinnig hohen Kosten der Eizellentnahme übernimmt keine Krankenkasse. Es ist keine lebenserhaltende Maßnahme. Nun habe ich also mit 27 Jahren nicht nur die furchtbare Diagnose Brustkrebs erhalten, sondern sitze zudem auch noch auf immensen Kosten. Die beiden Maßnahmen mussten logischerweise vor Beginn der Chemotherapie gemacht werden und im August startete dann meine Chemo.

Ich kann mich recht glücklich schätzen - ich kann nahezu fast alles machen, da ich die Chemo recht gut vertrage und nur wenige Nebenwirkungen habe. Da ich zudem viel Zeit in Kliniken und Wartezimmern verbringe und durch die Heftchen stöbere, bin ich auf Pink Ribbon Deutschland aufmerksam geworden. Ich habe einen absoluten Pink-Fimmel und daher habe ich mich gleich über die Organisation informiert, da ich unbedingt eine pinke Schleife haben wollte. Bei der Recherche habe ich von verschiedenen Aktionen gelesen und wie sich sehr viele Leute mit und ohne Brustkrebs für die Organisation einsetzen. Das wollte ich auch machen!

Gerade in meinem jungen Alter ist es so wichtig, sich selbst abzutasten und zu den Routineuntersuchungen beim Frauenarzt zu gehen. Auch wenn es vielen unangenehm ist: Nehmt bitte die Termine wahr! Auch ich habe es bei bestem Willen nicht erwartet, dass genau ich Brustkrebs haben soll und jetzt stecke ich mitten in der Therapie.

Um noch mehr Aufmerksamkeit in meinem Umfeld und bei meinen Reitermädels zu schaffen, entschloss ich zunächst, eine Onlineaktion zu erstellen. Dazu plante ich ein dazugehöriges Event: einen pinken Stand bei Reiterveranstaltungen wie dem Kreisreiterball. Die Organisation und der Aufwand dahinter hatten es während der Chemo ganz schön in sich, aber es machte mir einfach so viel Spaß, weil ich für mein Leben gerne organisiere und plane. Ich habe zunächst meine Mädels gebeten, mich zu unterstützen und sämtliche pinkfarbenen Leckereien zu backen. Als ich von meinem Vorhaben und dem Stand der Planungen erzählte, wollten sich zwei Bekannte unbedingt auch miteinbringen und fertigten selbstgemachte Dinge wie beispielsweise Stirnbänder, Beanies, Fliegenohren für’s Pferd, Beutelchen für Leckerlis, Holzschächtelchen und vieles mehr. Als wäre das nicht genug, hat sich auch mein Papa noch eingesetzt und mir selbstgemachte Holzskulpturen mit der Motorsäge gefertigt.

Ich habe wirklich eine sehr tolle Familie, Freunde und Bekannte in dieser Zeit hinter mir stehen. Insgesamt konnte ich eine stolze Spendensumme in Höhe von 2.257 Euro für Pink Ribbon Deutschland sammeln. Ich bekomme fast täglich gesagt, wie stolz die Leute auf mich sind und wieviel positive Energie in mir steckt. Es bewundern mich viele, wie ich das ganze Thema so positiv aufnehme und mit Fassung vertrete. Auch meine Witze über meine Glatze oder das anfängliche „Eierbrüten“ war für viele keine Selbstverständlichkeit und ich erhielt viel Bestätigung.

Diese positive Einstellung werde ich versuchen, so gut es geht beizubehalten. Es bringt nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Auch mit einer solchen Nachricht in jungen Jahren muss man das Beste daraus machen und - sofern es die Therapie zulässt - mit dem normalen Leben weitermachen. Mir war und ist es so wichtig, dass ich weiterhin Zeit bei meinem Pferd verbringen kann. Hier habe ich den Kopf frei und verschwende nicht einen Gedanken an den Krebs und die Krankheit. Ich genieße die Zeit mit und bei meinem Pferdchen. Und ich versuche nach wie vor viel zu unternehmen. Manchmal auch ein bisschen zu viel, aber ich hatte immer schon Hummeln im Hintern und bin kein Mensch, der die Ruhe genießen kann. Ab und zu ist Entspannung völlig notwendig und in Ordnung - aber zu viel wird dann doch langweilig.